Einer meiner Vorsätze 2014 ist, Kontrolle über die digitalen Werkzeuge zu bekommen, die ich im täglichen Leben verwende, also: meine Gadgets (PC,Smartphone,Netzwerke). Und über die Gewohnheiten im Netz. Der Jänner ist der Monat, wo man sich an die Vorsätze vom Jahreswechsel noch erinnert und guten Willen zeigen möchte. Noch dazu bekam ich diese Woche endlich das Fairphone zugeschickt, das mit seinem “You together with 10,185 other people helped make Fairphone possible”, aufgedruckt an der Innenseite der Akku-Abdeckung, an mein Verantwortungsgefühl appeliert hat, vor allem weil Fairphone eher ein Symbol als eine Tatsache ist. Mehr zum Fairphone ein anderes mal, jetzt erstmal generell:
In den Wolken….
Viele meiner Freundinnen und ich haben sich lange genug von den gratis-Angeboten großer Anbieter verführen lassen. Und tatsächlich ist es praktisch, seine Dokumente auf der Dropbox zu sichern, damit sie auf allen Geräten zur Verfügung stehen. Es zerstreut die Zeit, wenn man durch Facebook im ständigen Austausch mit FreundInnen und Bekannten und gar-nicht-so-bekannten ist, über das was einem gerade bewegt, oder das, was plötzlich im Feed aufpoppt, von blutigen Szenerien aus Syrien, zu Babyphotos, zu Wechsel im Beziehungsstatus, zum massenhaften Aussenden nahezu gleich klingender Geburtstagsglückwünsche. Ihr merkt den polemischer werdenden Unterton beim Aufzählen? Lassen wir mal beiseite, dass in solchen Plattformen Jade und Plastik wüst zusammengemischt sind, denn den Plattformen ist technisch und organisatorisch nahezu egal, welcher Content wie veröffentlicht wird. Jede Kommunikation enthält einen Beziehungsaspekt und einen Sachaspekt, weiß man aus der Kommunikationstheorie à la Watzlawick. Der Unterschied wird in der Kommunikation unter Abwesenden jedoch nivelliert, und dann neu aufgemacht, da man nur über Artefakte kommunizieren kann. Oder anders gesagt: Relevant ist zunächst die Unterscheidung von Inhalt und Adressat. Der Inhalt wird verschlagwortet, die Adressaten als Graphen visualisiert. Beides wird kombiniert und in Zielgruppen zusammengefasst. “Jungfrau (40), männlich, sucht…” ist eine Zielgruppe, Matrix-Fans eine andere, dann Leute die über Rotwein reden und gern Hüte tragen, einen Link auf Heise posten, usw. Jede noch so belanglose Nachricht erhält Bedeutung dadurch, dass sie ein Bedürfnis signalisiert, oder zumindest werden die Daten so aufbereitet, dass man ein Bedürfnis findet. Das Bedürfnis wird Firmen gezeigt. Das Angebot ist: “Wollt ihr nicht speziell den Matrix-Fans eure schwarzen Ledermäntel, und den 40-jährigen Jungfrauen eure Schuhe mit Charme anbieten?” So können Firmen nahezu instantan auf Wechsel der Bedürfnislage, der Geschmäcker, etc. reagieren, um den Warenverkehr anzukurbeln.
Stabilität durch Irritation
Die Gleichgültigkeit der Plattformen hat auch positive Seiten: Sie macht Diskussionen halb-öffentlich, die früher und auch heute noch in kleineren Stammtisch-Kreisen oder im häuslichen Umfeld der Familie stattfinden. Intransparenz und Unmöglichkeit, seinen Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen war ja eine Kritik, die mit dem Slogan “Das Private ist politisch” angesprochen wurde. Man braucht keinen Filter durch Stellvertreterinnen, sondern lässt seinen Gedanken instantan, unmittelbar, direkt seinen Lauf, und gibt damit allen eine Stimme, auch denen, die nicht so organisiert sind, nicht über die Expertise, die Zeit, das Geld, und die Geduld verfügen, eine Organisation aufzubauen (vorausgesetzt, die haben Zugang zum Internet).
Doch wenn der Geheimdienst und der Heimatschutz und verschiedenste Firmen mithören, ist das Private tatsächlich politisch geworden – und ökonomisch schon lange. Es ist als ob die Mini-Proteste (die Frustrationen denen man mit Hilfe von Statusmeldungen Ausdruck verleiht), die Asymmetrie von Organisation und Menschen nur noch mehr stabilisieren. Das System immunisiert sich, weil jede kleine Nachricht eine Ankündigung für etwas Größeres ist, das man durch Gegensteuern schon im Keim ersticken kann. “Und alles was kommt, damit kommen sie auch noch klar”, singt Maike Rosa Vogel in “Faule Menschen”. Nur global gesehen ändert sich nichts, wir steuern der nächsten Katastrophe zu, um es mal dramatisch auszudrücken.
Es ist gar nicht so schlecht, taktisch statt strategisch zu handeln, sich weiterwurschteln, anstatt einen Plan zu entwickeln, könnte man einwenden. Immerhin sind die globalen Interaktionen so verflochten, dass der Zweck einer guten Intention leicht durch eine Reihe von Nebenwirkungen in Frage gestellt wird.
Deshalb, sagen andere, ist es Zeit, die Anzahl der Interaktionen einzuschränken und erstmal eine lokale Community zu bilden, die funktioniert. Für die überschaubare Community lassen sich dann konkrete Pläne und Strategien ausarbeiten, die später in anderen Bereichen angewendet werden können, sich weiterentwickeln usw.
“Nur ist das nicht ein Schritt zurück?”, kann man einwenden. “Hatten wir das nicht schon?” Die lokalen Communities, so wie die Nationalstaaten, die sich abkapseln, um für sich das Beste herauszuholen. Damit entsteht eine Dynamik der Konkurrenz und manchmal des Chauvinismus, die dann, weil man nicht ohne die anderen kann, es aber nicht so direkt sagen darf, in komplizierte implizite Verflechtungen umkippt, die niemand mehr versteht, und die Individuen zu dem Kontrollverlust führen, den ich beklage.
Freiheit nimmt man sich
Mein Versuch in der Blogserie, die in diesem Artikel eingeleitet wird, möchte einen Gedanken aufgreifen, der von “Jaques Ranciere – Der unwissende Lehrmeister. Fünf Lektionen über die intellektuelle Emanzipation” inspiriert ist:
Organisationen, die Ungleichheit herstellen wird es immer geben. Wir brauchen uns gar nicht die Illusion machen, dass eine Gesellschaft, die von den Individuen fordert, die Ungleichheit zu reduzieren, zu gleichberechtigten und intelligenten Partnern führt. Im Gegenteil: Eine “Gesellschaft der Gleichheit” führt zu Ungleichheit der Individuen. Vor der Plattform sind alle User gleich, gleich dumm nämlich, und untereinander beanstanden sie die Dummheit der jeweils anderen. Und was ist das Resultat? Sich aufschaukelnde Massenphänomene, Memes bestehend aus Katzenbildern – Nachrichten, die sich wie Billardkugeln verhalten und Kettenreaktionen erzeugen. “Man hat keine Vernunft von der gesellschafltichen Gesamtheit zu erwarten”. Das setzt der Idee von der Schwarmintelligenz und Gamification Grenzen, die nur auf Anziehung und Abstoßung basiert. Gesetze der sozialen Schwerkraft, könnte man sagen. Es macht jedoch keinen Sinn, sich zu beklagen, die oben genannten Phänomene gehören zu unserer Zeit.
Genauso bei der Frage der Überwachung. Anstatt uns zu beklagen, so wie etwa die beiden Petitionen gegen Überwachung, von Akademikerinnen und Schriftstellerinnen unterschrieben (siehe Change.org und Spiegel), springen wir freiwillig in den Wahnsinn rein, lernen seine Sprache, und diskutieren aufmerksam die Probleme die wir haben. Es geht nicht um die Forderung nach Gleichheit, nach Demokratischen Verhältnissen, sondern um die Annahme der Gleichheit, die ich in konkreten Situationen praktiziere. Ich nehme an, dass die Menschen, denen ich durch die verschiedenen Rollen des gesellschaftlichen Lebens in Ungleichheit begegne, prinzipiell gleich sind.
Oder um es kurz zu sagen: Es geht darum, dass wir uns selbst und gegenseitig mehr zutrauen. Wir sind beherrscht von dem Gedanken übermächtiger Wolken und Datensammlungen, von verstrickten Netzwerken, die da draußen sind und unsere Kommunikation ordnen. Dabei sollten wir sie selbst ordnen. Ich möchte das in der do-it-yourself-Manier versuchen. OK, ich sehe ein, dass ich abhängig bin von der herrschenden Ordnung, doch nur insofern, indem ich mit ihrer Hilfe, an dem von ihr zugeordneten Platz, die Aufmerksamkeit für Gelegenheiten schärfe, mein Leben in die eigene Hand zu nehmen. Anstatt mir durch die kleinen Verlockungen gesellschaftlicher Ordnungen meine Umlaufbahn, meinen Zeitablauf, diktieren zu lassen, geht es darum, die Ordnung, die Cloud, die Gadgets, die Webapplikationen, die Datenaggregation zu verwenden, um in meiner Umlaufbahn zu drehen, in Auseinandersetzung mit den Umlaufbahnen anderer. Es geht nicht primär darum, eine Organisation zu schaffen und Prozesse einzusetzen, um die asymmetrisch verteilte Macht und Risiken neu aufzuteilen, sondern darum, sich selbst in dieser Asymmetrie Möglichkeiten freizuspielen und andere in diesem Spiel zu inspirieren (was dann zu einer Neuaufteilung führen kann). Freiheit muss man sich nehmen, sie in Auseinandersetzung gewinnen. Sie ist kein Service der Gesellschaft, nicht etwas, das wir fordern können. Sie benötigt die Bemühung und Aufmerksamkeit der Einzelnen, manifestiert sich in Werken, und möchte von anderen erraten und verifiziert werden. Und sie ist flüchtig, entschwindet den Organisationen durch Netze hindurch, findet erstaunliche Orte um zu gedeihen.
Demnächst mehr hands-on Beiträge.
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