Eine utopische Miniatur von Universität

Hallo Leute,
habe gerade ein Transkript eines Vortrags von Claus Pias (Philo-Prof, Uni Wien) geschrieben, der für Medienwissenschaften eine interessante Form des Studierens vorschlägt. Just for your consideration der hierfür relevante Abschnitt:

“Ein letzter Punkt, um es perspektivisch zu machen: Wie sollte die Sache für Studierende aussehen? Ich würde einen Vorschlag machen, der nicht verallgemeinerbar ist, an dem ich im Moment herumlaboriere, der OK für kleine schnittige Unis ist, nicht unbedingt tauglich für große Universitäten.Ein Vorschlag, der in gewisser Weise einige Optionen der gescheiterten/angeeckten Bologna-Reform kapern kann und daraus etwas machen, das vielleicht das komplette Gegenteil von Verschulung ist. Dabei scheinen die Medien ein guter Aufhänger, um das zu machen. Ich könnte mir also vorstellen, dass an einer kleinen Uni prinzipiell alle Lehrveranstaltungen dieser Universität – in allen Fakultäten – einfach aufgemacht werden. Nennen wir es: Studieren ohne Studienplan oder Nachfrage-orientiertes Studium. Wie der Anfang aussieht, weiß ich nicht ganz. Aber der Mittelteil des Studium könnte so aussehen, dass Leute sich Themensemester machen. Das heißt, man könnte sich ein Themensemester “Bild” oder so etwas setzen. Man kann in die Kunstgeschichte, in die Philosophie, in die Computergrafik bei den Informatikern, zu den Medizinern in die Visualisierung gehen, usw. Oder ein Semester über bestimmte Methoden, etwa quantitative Methoden, das auch durch die verschiedenen Disziplinen hinweg. Dazu bräuchte es vielleicht eine Art Mentoring-Programm, das nicht beim Kaffee-trinken stecken bleibt, sondern wo jeder Studierende seinen Plan jemanden zeigt, der checkt, ob das zusammenpasst. Das setzt voraus, dass man halbwegs einschätzen kann, was die Kollegen tun. Deswegen kleine Unis. Das Absignieren des Plans müssen Leute machen, die ihre Uni kennen und die dadurch gezwungen werden, zu wissen, was die Kollegen so treiben. Das bräuchte ganz neue Debutats-Verrechnungsformen und überhaupt neue Verrechnungsformen, da man ja nicht nur die eigenen Studierenden versorgt. Am Ende wäre das Studium ein BA, der hauptsächlich auf der Abschlussarbeit beruht und nicht Punkte aus dem Gesamtstudium reinschleppt, weil das dazu führt, dass Leute nur noch dort reingehen, wo es einfach ist. Dieser BA wird wieder für eine traditionelle Disziplin gemacht. Sprich: In der letzten Phase sind die letzten Semester wieder orientiert auf Informatik, Kunstgeschichte, Philosophie etc mit einem BA, der die Standards dieser Disziplin hält und nicht eine luftige Medienwissenschaft, der aber anderwertig informiert ist dadurch, dass die Leute sich im Mittelteil ihres Studiums gewissermaßen herumgetrieben haben, und sich bei “Bild” nicht nur kunsthistorische Vorlesungen angesehen haben sondern in der Informatik saßen oder in der medizinischen Visualisierung. Auf diesen disziplingebundenen BA könnte man Medienwissenschaft aufsetzen, weil man dann einen disziplinären Korpus an Wissen hat, auf den eine Medienwissenschaftliche Frage erst Sinn macht. Man hat dann Leute mit dem sicheren Gespür, was eine interessante medienwissenschaftliche Fragestellung eigentlich ist. Medienwissenschaft müsste dann eine Strategie der offenen Rekrutierung ernsthaft betreiben. Es können Leute aus der Informatik, aus der Physik, aus anderen Geisteswissenschaften rüber kommen, wenn und sobald sie eine medienwissenschaftliche Themenstellung haben. Das setzt – obwohl es nach mehr Aufwand aussieht – sehr viel Entbürokratisierung voraus. Es setzt sehr viel Vertrauen in die Leute voraus und macht Kooperation zwischen den Betreuern und Disziplinen möglich. Das wäre eine utopische Miniatur von Universität gewesen.”

Eine Herausforderung für Change-Manager, würde ich sagen 🙂

Den ganzen Vortrag gibts hier. Dort auch der Link zum MP3.

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